- Ein Hauptpfeiler5 der Österreichischen Wirtschaftslehre ist die „Zeitpräferenz“, dh. die Höherbewertung gegenwärtiger gegenüber gleichartigen künftigen Gütern. Jemand der entscheidet jetzt zu konsumieren, zeigt eine hohe Zeitpräferenz. Wenn er stattdessen spart, um später zu konsumieren, dann hat er eine niedrige Zeitpräferenz.
- Der Zinssatz ist ebenfalls als ein in der Zeitpräferenz verwurzeltes Phänomen definiert. Der Urzins ist im Wesentlichen ein nicht-monetäres Phänomen: er stellt lediglich die Höherbewertung gegenwärtiger gegenüber künftigen Gütern auf den persönlichen Wertskalen von Individuen dar. Ein Beispiel: Vor langer Zeit waren die Menschen Jäger und Sammler. Man lebte von einem Tag zum anderen, weshalb die Zeitpräferenz sehr hoch war. Nach einiger Zeit wurde die Landwirtschaft entwickelt und Menschen diversifizierten ihre Arbeit auf der Basis ihrer individuellen Zeitpräferenzen. Manche Leute produzierten primitive landwirtschaftliche Geräte, andere züchteten Tiere, andere pflanzten und ernteten Nutzpflanzen, andere wiederum lagerten und verteilten landwirtschaftliche Produkte. Die Entwicklung von verschiedenen Investitionen in Produktionsmittel hängt von der erwarteten Zusammenarbeit innerhalb der Gesellschaft ab, welche in die wirtschaftliche Kalkulation einfließt. Man kann einige wichtige Aspekte der Wirtschaftslehre in einem einfachen Beispiel erkennen. Man braucht vier Jahre um ein Werkzeug zu bauen während die Tierzüchtung nur zwei Jahre benötigt. Der Werkzeugmacher geht daher ein größeres Risiko ein. Es besteht das Risiko, dass der auf Eisen gestützte Prozess der Werkzeugherstellung nicht funktioniert, oder dass der Bauer, der vertraglich den Erwerb des Werkzeugs zugesichert hat eine Missernte erleidet und nicht bezahlen kann. Die Tiere, die der Viehhüter mit Getreide des Bauern füttert könnten Krankheiten erleiden und dieser dadurch den Bauern nicht bezahlen kann, der dann im Gegenzug den Werkzeugmacher nicht bezahlen kann.
- Ohne Vertrauen und Zusammenarbeit und ohne sich frei bewegende Marktpreissignale, sind die Fähigkeit die Zukunft korrekt einzuschätzen und brauchbare wirtschaftliche Kalkulation begrenzt.
- Der Markt liefert uns Preissignale in Form von Preisen, die sich entsprechend der Dynamik der Nutzen-befriedigenden, wirtschaftlichen Kalkulationen anderer entlang der Kausalkette anpassen. Hayek beschreibt die Wichtigkeit von Preissignalen für die wohlfahrtsmaximierende Selbstorganisation der Gesellschaft in „Die Verwertung des Wissens in der Gesellschaft“ (original: „The Use of Knowledge in Society“, 1945). Ohne die Anpassung von Marktpreisen werden Kapitalinvestitionen in Produktionsstufen und für Güter und Dienstleistungen getätigt, die von der Gesellschaft nicht geschätzt werden. Wenn immer diese Preissignale aufgrund institutioneller Restriktionen versagen, versagt auch die Organisation der Gesellschaft, was schließlich zur Krise führt. Der amerikanische Häusermarkt war zum Beispiel durch steuerliche und regulatorische Maßnahmen stark subventioniert (Abschreibung von Hypothekenzinsen und die Garantie von Fannie Mae und Freddie Mac auf durch Hypotheken gedeckte Wertpapiere), Preissignale in Sektor waren verzerrt, und sendeten stark verfälschte Signale an die wirtschaftlich Handelnden in der Gesellschaft.
- Die Kosten der Häuserfinanzierung erschienen günstiger als sie eigentlich aufgrund der Zeitpräferenzen der Gesellschaft hätten sein sollen. Die verfälschten Preissignale verursachten Fehlinvestitionen im Häusermarkt (eine „Blase“) relativ zu anderen Sektoren in der Wirtschaft. Die gesamte Kapitalstruktur wurde verzerrt und Produktionsfaktoren wurden in die Produktion Güter höherer Ordnung die auf diesen Sektor konzentriert waren gezogen, und förderten auch übermäßiges Konsumverhalten.
- Ohne das Eingreifen von Zentralbanken, koordiniert der Zinssatz die Zeitpräferenzen von sowohl Kreditnehmern (Investoren, Unternehmer), als auch Kreditgebern (Sparer). Nehmen wir nun an, dass anstatt der Bestimmung des Zinssatzes durch den Markt, d.h., einen „natürlicher Zins“, der Zinssatz von einer zentralen monetären Behörde oder Zentralbank manipuliert wird.
- Aufgrund der künstlich gedrückten Zinsen, planen Unternehmer Projekte oder beginnen diese und stellen Leute ein, die von anderen, späteren Produktionsstufen abgezogen werden. Niedrigere Zinsen bedeuten eine niedrigere Gewinnschwelle für Investitionen. Vor allem langfristige, riskantere Projekte erscheinen realisierbar unter einem, von der Zentralbank manipuliertem, niedrigem Zinssatz. Die künstlich niedrigen Zinsen suggerieren, dass die vorhandenen, realen Ersparnisse welche für Investitionen verfügbar sind größer sind als sie in Wirklichkeit sind. Die gesamte Klasse der Unternehmer befindet sich in einer Situation vergleichbar der eines Bauherrn, der ein Bauwerk mit drei Stockwerken bauen möchte, aber tatsächlich nur genug Material für zwei Stockwerke zur Verfügung hat.
- Die künstlich niedrig gehaltenen Zinsen führen zu einer Expansion der Geld- und Kreditmenge, und schließlich setzen Inflationsängste ein. Die Zentralbank ist gezwungen ihre Leitzinsen anzuheben, um eine rasche Abwertung des Geldes zu verhindern.
- Zu diesem Zeitpunkt sind viele der Investitionen, die während der Phase der künstlich niedrig gehaltenen Zinsen getätigt wurden, nicht mehr realisierbar. Es stellt sich heraus, dass die buchmäßigen Profite die sie vorher produziert haben eine Illusion waren. Oft können die Investitionen nicht abgeschlossen werden, weil die realen Mittel die dafür nötig wären nicht vorhanden sind. Wirtschaftstreibende sind gezwungen die Fehlinvestitionen, die unter der künstlich niedrigen Zinsrate eingegangen wurden, aufzugeben.
Nächstes Kapitel: Unterschiede zwischen der Österreichischen Schule und der neoklassischen Schulen
Footnotes
5 Quellen: Cameron M. Weber, New School for Social Research, cameroneconomics.com, “Austrian Economics. A Primer”, Dr. Eamonn Butler, Adam Smith Institute